Über die Bedeutung des Begriffs Emotion gibt es wenig Zweifel, Intelligenz dagegen definiert die Wissenschaft unterschiedlich. Emotionale Intelligenz - abgekürzt EQ - ist daher eine Wortschöpfung, die der Erklärung bedarf.
Im Wesentlichen meint sie das vorausschauende Einfühlen in die Verhaltensweise eines Mitmenschen. Die Vorausschau ist dabei die intelligente Leistung, das Einfühlen die weit schwierigere emotionale. Denn es reicht nicht das bloße Wissen, dass der Kollege gleich wieder beleidigt reagieren wird. Nur ehrliches und einfühlendes Verständnis für die besondere Situation meines Gegenübers kann genau diese Reaktion verhindern. Das setzt voraus, dass es gelingt, die eigenen Bedürfnisse vorübergehend zurück zu stellen. Hier setzt die Forderung nach sozialer Kompetenz an und hier offenbart sie ihre Qualität. Genau hier liegt aber auch der eigentliche Knackpunkt:
Leistungsdenken, Innovationsstreben, Kreativität und Risikobereitschaft - allesamt erwünschte Eigenschaften bei Mitarbeitern und aufstrebendem Nachwuchs. Leider bergen sie neben dem Erfolgs-Potenzial aber auch das der Ungeduld und Unduldsamkeit. Und hiermit erweisen sich diese Faktoren als latenter Feind für die Entwicklung Emotionaler Intelligenz.
Beim Gerangel um Positionen oder im Streben nach dem glanzvollsten Erfolg dient Intelligenz erst einmal dem eigenen Wohl. Denn gute Ideen und Erfolg versprechende Konzepte sollen vorrangig den Urheber schmücken und ihn aus der Gruppe der Mitbewerber heraus heben. Emotionen werden in dieser Phase als eher unpassend und störend verdammt. Ärgerlich genug, wenn sich negative wie Angst, Frust oder Neid einschleichen und die eigene Energie vorübergehend dämpfen.
Dieses nur allzu
verständliche Verhalten macht zwei Hürden sichtbar, die sich der Entwicklung
Emotionaler Intelligenz in den Weg stellen:
Die erste ist die Forderung, sich grundsätzlich als Partner zu verstehen
und nicht als Konkurrent. Das setzt ein gesundes Selbstbewusstsein in die eigenen
Stärken voraus. Nur dann kann man auch die seines Gegenübers wertschätzen
und ihn als gleichwertige Persönlichkeit annehmen.
Die zweite Hürde stellt die Bedingung, Einsicht, Umsicht und Voraussicht
- also das intelligente Verhalten - darauf zu verwenden, den Mitmenschen und
Kollegen mit einfühlendem Verstehen und Akzeptanz zu begegnen und die eigene
Intelligenz nicht ausschließlich dem persönlichen Fortkommen zu widmen.
Das erfordert Kraft und Disziplin und setzt voraus, dass die erste Hürde
bereits überwunden ist und man sich seines eigenen Wertes ganz sicher ist.
Der Gedanke drängt sich auf, dass Emotionale Intelligenz erst mit Alter und Abgeklärtheit wächst. Das stimmt nur zum Teil und ist leider nicht zwingend.
Emotionale Intelligenz kann man lernen. An diesen Umstand knüpft sich eine große Hoffnung und Forderung vor allem an junge Führungskräfte. Dank erstklassiger Fachkompetenz tragen sie häufig schnell viel Verantwortung und geraten damit leicht in personelle Konflikte, auf die sie nicht vorbereitet sind. Aber es ist eben nicht nur ein Problem der Jungen. Auch ältere Führungskräfte stehen Problemen mit Mitarbeitern oft hilflos gegenüber.
Emotionale Intelligenz
entwickelt sich aus dem Zusammenspiel von Gefühl und Verstand. Deshalb
muss man sie erst einmal selbst bewusst empfinden, erleben und erfahren. Anschließend
gilt es, das Erlebte in aktives Tun umzusetzen und eigene Erfahrungen zu sammeln,
wie emotional intelligentes Verhalten Beziehungen verbessert und Produktivität
steigert.
Erlebnisorientierte
Trainings wirken daher besonders effizient und nachhaltig. Pestalozzis Forderung
nach Lernen mit Kopf, Herz und Hand wird am konsequentesten in Outdoortrainings
praktiziert. Ganz sicher ist der Lernprozess nicht nach einer Woche abgeschlossen.
Denn jeder Lernerfolg muss kontinuierlich bestätigt und verstärkt
werden. Dem sensiblen Bereich der Emotionen wird im beruflichen Alltag jedoch
meist nicht genügend Raum gegeben. Die notwendige Bestätigung, die
das gute Verhalten festigt, bleibt also aus. Oft nimmt sie der Sender auch einfach
nicht wahr, muss sich den Erfolg selbst konstruieren oder fühlt sich im
schlimmsten Fall negativ bestätigt. Alles Umstände, die den langfristigen
Lernerfolg gefährden. Erst wiederholende Maßnahmen wie Workshops
verbessern die Aussicht auf dauerhaften Erfolg. Ideal ist begleitendes Coaching,
das in kurzen Intervallen über positive Impulse emotional intelligentes
Verhalten verwurzelt.
Christiane Grabow