Outdoor-Trainings sind handlungs- und erlebnisorientierte Seminare unter freiem
Himmel in einem ungewohnten Umfeld. Neue, komplexe Aufgaben müssen bewältigt
werden, für die keiner der Beteiligten Lösungsstrategien parat hat.
Erworbenes Fachwissen und Berufserfahrung sind jetzt wertlos. Die Sicherheit,
die der Einzelne für sich daraus abgeleitet hat, ist dahin. Unkenntnis
und die daraus resultierende Unsicherheit sind jetzt normal. Jeder kleine Erfolg
wird über Probieren erlangt und baut neue Erfahrung auf.
Das haben wir alle schon einmal praktiziert - als wir die Welt um uns zum ersten
Mal "begreifen" lernten, als wir klein und unerfahren über Erlebnisse
unsere Erfahrungen "sammeln" durften.
Diese natürliche
und überaus effektive Art zu lernen hat schon im 17. Jahrhundert Comenius
in seiner "Didactica Magna" beschäftigt. Rousseau forderte 100
Jahre später Lernen aus praktischer Beobachtung. Sein Schüler Pestalozzi
setzte diese Forderung um in Lernen mit Kopf, Herz und Hand. Zu Beginn des 20.
Jahrhunderts propagierte der amerikanische Philosoph John Dewey handlungs- und
erlebnisorientierte Pädagogik und stellte seine Forderung nach "learning
by doing" auf eine wissenschaftliche Grundlage. Kurt Hahn, auf den sich
unsere heutige Erlebnispädagogik stützt, legte neben der Vermittlung
von Wissen besonderes Gewicht auf die charakterliche Erziehung zu Selbstkontrolle
und Verantwortung für die Gemeinschaft.
In den USA ist dieses Gedankengut seit langem in schulischen Konzepten verankert.
Anfang der 70er Jahre entwickelten amerikanische Anbieter daraus die ersten
Outdoor-Trainings für Wirtschaftsunternehmen. In Europa fand diese Idee
erst 10 Jahre später Einzug. Mit ihrem geistigen Ursprung vor mehr als
350 Jahren gelten Outdoor-Konzepte heute als die Innovation der späten
90er Jahre.
In ihnen wird das
ursprüngliche auf Neugier bezogene Lernen verknüpft mit dem Anspruch
auf Lernen in Gemeinschaft. Soziale Kompetenzen zu erweitern ist eines der Hauptanliegen
von Outdoor-Trainings. Daher werden sie häufig für Teams und Führungskräfte
genutzt. Die ungewohnten Herausforderungen machen es möglich, sich selbst
und das eigene Verhalten neu zu erleben. Die Rückmeldung über die
Wirkung der eigenen Person auf andere fordert der Trainer ausdrücklich
ein, denn das regulative Instrument der spontanen Gemütsäußerung
ist Erwachsenen weitgehend aberzogen worden. Oft genug wird eine Stimmung nicht
einmal bewusst erlebt. Gerade das was mein Gegenüber empfindet bestimmt
aber sein Handeln. So macht jedes Feedback deutlich, wie groß die Verantwortung
ist, die der Einzelne für die Stimmung der Gemeinschaft trägt. Das
Klima im Team, das jeder aktiv beeinflusst, entscheidet maßgeblich wie
effektiv und erfolgreich die Zusammenarbeit läuft.
Da die Aufgaben in einem Outdoor-Training auf berufsunabhängige Ressourcen
abzielen, reißen alte Teamstrukturen auf und Rollen werden neu verteilt.
Führen und Unterordnen wechselt nach zufälligen Fähigkeiten und
Fertigkeiten und orientiert sich nicht an alten Gewohnheiten. Risikobereitschaft,
Mut, Initiative, Flexibilität und Kreativität werden im körperlichen
Einsatz erlebt - konkret und direkt. Verantwortungsbewußtsein, Umsicht,
Rücksicht und Hilfsbereitschaft, aber auch die helfende Hand anzunehmen,
erfährt jeder praktisch und körperlich. Hier offenbaren Outdoor-Veranstaltungen
ihre Stärke: Das Lernen mit Kopf, Herz und Hand.
Erwachsene
lernen meist strukturiert und über den Verstand. Das macht aber keinen
Spaß - jedenfalls nicht lange. Was Spaß macht, betreiben wir lange
und konzentriert. Wir bringen uns "mit Haut und Haaren" ein und erleben
mit allen Sinnen Dinge, die wir nie wieder vergessen. Deshalb ist Spaß
ein so wichtiger Faktor in Outdoor-Trainings. Er öffnet die Tür, damit
Erleben zum Erlebnis wird. Je tiefer eine Erfahrung den Einzelnen beeindruckt,
desto länger wirkt sie nach - manchmal ein Leben lang.
Qualität beweist ein Outdoor-Training erst, wenn der Transfer in den
Berufsalltag vollzogen ist. Es ist der schwierigste aber auch der wichtigste
Teil des Trainings. Persönliche Reflexionen und ausführliche Gespräche
münden in einen Katalog individueller Erkenntnisse, Maßnahmen und
Strategien zur Arbeit an der eigenen Person und zum Umgang mit anderen.
Damit sich neue Strategien verfestigen können, brauchen sie Bestärkung.
Da das berufliche Umfeld diese selten ausreichend liefert, sind Folgetrainings,
Workshops oder Coaching erforderlich. Ein Mensch ändert sich nicht "mal
eben" in einer Woche. Bleibt die Nachsorge aus, droht die Frage: "Outdoor-Training:
Viel Spaß und sonst nichts?" wahr zu werden.
Christiane Grabow